Etwa im August dieses Jahres gab es einen kurzen Bericht auf SF DRS. Es ging um die stark zunehmenden Einkäufe grenznaher Einwohner der Schweiz in den anliegenden EU-Gebieten als Folge des stark aufgewerteten Schweizer Franken. Eine Reporterin interviewte einen Zollbeamten am Autobahn-Grenzübergang Weil-Otterbach. Nach besonderen Vorkommnissen befragt, erklärte der Beamte, dass es immer wieder Geschäfts- und Privatleute gibt, die versuchen, sich durch die Zollkontrolle zu schwindeln, um nicht auf die im Ausland gekauften Waren bei Einfuhr in die Schweiz die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwertsteuer entrichten zu müssen. Ein Grinsen überzog seine gestrenge Miene: „Sie Glauben ja nicht, mit welchen Tricks die Leute ihr Glück zu erzwingen hoffen. Dabei unterschätzen sie in leichtsinniger Weise, dass wir in diesem Geschäft sehr routiniert sind und an der Art, wie sie in den Zollbereich einfahren, wie sie sich verhalten, welches Unschuldsgesicht sie spielen, welche Stimmlage und welchen Sprachduktus sie einsetzen, wir bereits erspüren, ob Verdacht angebracht ist.“
„Erzählen Sie doch, Sie haben ja einen ganz bestimmten Fall vor Augen, wenn Ihr breites Schmunzeln kaum Platz auf Ihrem nicht gerade schmalen Gesicht findet.“ Der eidgenössische Beamte schaute die Reporterin aus großen Augen an, überlegte kurz – vielleicht ob seine Dienstpflicht es erlauben würde, über den Fall in der Öffentlichkeit zu sprechen – setzte eine leicht grinsende Miene auf und begann zu berichten: „Ja, das war schon ein ganz spezieller Fall, wie er nicht jeden Tag vorkommt. Ein Personenwagen kam angerollt, zwei Erwachsene und ein Kind, vermutlich eine Familie, irgendetwas kam mir merkwürdig vor: Die Erwachsenen schauten missmutig und irgendwie angespannt drein, das Auto kam etwas zögerlich zum Stehen, alles wirkte auf mich wie ein wenig unentschlossen und unsicher. Ich wies den Fahrer per Handzeichen an, aus der Kolonne zwecks Kontrolle herauszufahren. Seine Gesichtszüge spannten sich nun unübersehbar weiter an.“ Das Gesicht des erzählenden Zöllners, sein Gesicht legte eine gewisse amtliche Strenge auf, er wurde ernster, kleine Stirnfalten betonten, was er sich weiter anschickte zu berichten. Das steigerte die Neugier der Reporterin: „Ja und? Und? Was passierte dann?“ „Na ja, ich ging direkt auf’s Ganze. ‚Führen Sie Ware mit?‘ Wie zu erwarten: ‚Nein‘. Ich lasse nicht locker: ‚Fleisch?‘ ‚Nein‘, kam schon ein klein wenig unsicherer die Antwort. Bevor ich noch überlegen konnte, wie weiter vorgehen, dringt ein feines Stimmchen aus dem Fond des Autos: ‚Herr Zollmann, ich sitz‘ auf dem Fleisch!‘
Die Reporterin war sprachlos, aber wie von ihr des Berufes wegen gar nicht anders zu erwarten, verlor sie die Sprache nicht , sondern hängte wortreich ein: ‚Wie ging das weiter? Was haben Sie dann geantwortet? Wie hoch ist die Strafe? Kommt so etwas öfter vor?‘ Sie hatte vor lauter Eile, die Story schnellstens an ihre Redaktion zu simseln, nicht einmal die Zeit zum Lachen.
Die Sache ging nun weiter und zwar anders, als es hätte kommen müssen. Der Zöllner hatte sich ein seinem Berufsethos angemessenes zurückhaltendes Kichern über die kindliche Richtigstellung des Sachverhaltes erlaubt, sich zum Auto herunter zu dem Kind hin gebeugt, sich dabei mit seiner rechten Hand einen kleinen Klaps auf die rechte Hälfte seiner dem Sitzen vorbehaltenen hinteren Körperrundung gegeben und geantwortet: ‚Ich sitze beim Autofahren auch immer auf meinem Fleisch.‘ Dann wandte er sich wieder dem Fahrer zu, bat ihn einen Schritt zur Seite, als wolle er vermeiden, dass irgendjemand würde mithören können. „Hören Sie, es dürfte Ihnen wohl klar sein, dass dies hier soeben versuchter Betrug war. Ich möchte aber auf jeden Fall vermeiden, dass Ihre kleine Tochter nur das Geringste Ihres Fehlverhaltens und dessen Konsequenzen mitbekommt. Es wäre schade, wenn sie in so frühem Alter ein schlechtes Bild ihres Vaters bekommt. Tun Sie so etwas nie wieder! Steigen Sie nun ein und fahren Sie in Ruhe davon!“
Halt, halt, so war es eben nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass es so gewesen wäre. Aber so hätte es nicht sein können. Die Bediensteten der staatlichen Institutionen dürfen nicht nach persönlichem Ermessen entscheiden, sie haben genaue Vorschriften zu befolgen. Ihr Ermessensspielraum muss sehr eng sein, anderenfalls lässt sich ein Staatswesen nicht gerecht verwalten. Der Zollbeamte dürfte also seiner Dienstpflicht höflich und ganz korrekt nachgekommen sein und die Mehrwertsteuerausgleichssteuer und die Strafgebühr in mehrfacher Höhe der Ausgleichssteuer erhoben haben. Wie es korrekt und richtig ist.